Mittwoch, 12. März 2014

Lou Andreas-Salomé - Eine unabhängige Frau


Wie manches Mädchen meint mit einem Mann 
nichts als Geistesinteressen und Seelenfreundschaft zu teilen, während sie, – oft unbewußt, – 
nichts andres begehrt als seine Liebe, seinen Besitz.
Lou Andreas-Salomé (1861-1937) 
Essayistin, Psychoanalytikerin und Muse von Friedrich Nietzsche, Rainer Maria Rilke und 
Sigmund Freud 




Bleistift - Pencil (21 x 15cm)



Den Besitz eines Mannes hatte Lou Salomé nie begehrt. 
Sie wollte stets (finanziell) unabhängig bleiben, auch zu dem Preis, daß sie sich zeitweilig nur mühsam über Wasser halten konnte. 

Sie fühlte sich immer von religiösen, literarischen und philosophischen Themen magisch angezogen. Sie verdrehte dem großen Denker Friedrich Nietzsche, dem Poeten Rainer Maria Rilke und dem berühmten Psychoanalytiker Sigmund Freud den Kopf. 

Sie selber aber behielt lebenslang immer ihren eigenen kühlen Kopf... 


„Du gehst zu Frauen? Vergiss die Peitsche nicht!“ 

 - dieser berühmt-berüchtigte Satz von Friedrich Nietzsche (aus: "Also sprach Zarathustra") bezieht sich auf niemand geringeren als eben "Lou" (Louise).
Der sonst eher spröde Nietzsche war ihr hoffnungslos verfallen.
Er (38 J.) wollte sie unbedingt heiraten - sie (21J.) aber wollte nicht. 
Sie lehnte die Institution "Ehe" grundsätzlich ab und war überhaupt an einem Sexualleben nicht sonderlich interessiert, schon garnicht an ein aufgezwungenes, was allerdings Scharen von Männern nicht daran hinderte, sich reihenweise in sie zu verlieben.

Lou - ich kann Nietzsche verstehen!
Jedoch blieb sie Nietzsche zu seinen Lebzeiten freundschaftlich verbunden. Er hatte sie ja garnicht "ganz" verloren. Sie schrieb ein beachtenswertes Buch "Nietzsche in seinen Werken" über ihren schwierigen Freund:
"Aber deshalb ist es eben der Mensch und nicht der Theoretiker, auf den wir unsern Blick richten müssen, um uns in den Werken Nietzsches zurechtzufinden, - und deshalb wird auch der Gewinn, das Resultat unserer Betrachtung nicht darin bestehen, dass uns ein neues theoretisches Weltbild in seiner Wahrheit aufgeht, sondern das Bild einer Menschenseele in ihrer Zusammensetzung von Größe und Krankhaftigkeit."


Tiefe - geistig-seelische - Verbundenheit bedeutete ihr alles, danach kam erst das Körperliche. Der kühne Denker war aber offensichtlich in seinem männlichen Stolz bzw. Selbstwertgefühl zu sehr verletzt und formulierte seinen berühmten "Rachegedanken". -

War Nietzsche - wie oft nachgesagt - ein "Frauenfeind"? 
Nein! Im Gegenteil, als Mensch stand er eher auf Seiten der Emanzipation und war selber mit den emanzipiertesten und stärksten Frauen seiner Zeit befreundet.
(siehe auch Malwida von Meysenbug).
Ein Mann, der ausgerechnet einer emanzipierten, starken Frau verfällt, kann unmöglich ein "Frauenfeind" sein! Dass Lou's Abweisung ihn sehr gekränkt und frustriert hatte, beweist lediglich, daß er ein ganz normal-empfindender Mann gewesen ist. Er sah in Lou seine "Seelenschwester"  - das sagt wohl alles - aber ich verstehe auch Lou! -
Den Mann, der die Abweisung seiner großen Liebe cool und locker wegstecken kann, muß man mir erst noch vorstellen... in diesem Punkt wären alle Männer "Frauenfeinde".;-)    


Sie galt als Paradebeispiel einer emanzipierten Frau, auch wenn sie der Emanzipation als Bewegung reserviert gegenüber stand.  
Entsprechend galt und gilt natürlich auch die schöne Lou als böse "Femme Fatale".  

Später - sie ist 26 - läßt sie sich doch zu einer Ehe mit dem 15 Jahre älteren Friedrich Carl Andreas (1846-1930) überreden, aber nur weil er vor ihren Augen einen Selbstmordversuch machte. Im Grunde hatte er sie erpreßt. Aber auch hier stellt sie wieder ihre Bedingungen: 
Kein Sex! 
Im gemeinsamen Haus in Göttingen, bewohnte ER die untere und SIE die obere Etage. Oben hatte sie auch die bessere Aussicht. Sie nannten es "Loufried" (von Lou & Friedrich).
Zwischenzeitlich wollte sie immer wieder die Scheidung, aber er wollte nicht! Nicht zuletzt deshalb, weil sie ihn finanziell unterstützte!  - Als es ihm mal des Nachts überkam und er sich an sie heranschmusen wollte, fing sie an, ihn im Halbschlaf zu würgen. Wenn sie auf einer ihrer vielen Reisen war, blieb er alleine zuhause. Es fehlte ohnehin das Budget für Zwei. 
Immerhin besorgte sie ihm die "Haushälterin Maria", die später ein Kind von ihm bekam. Als diese früh starb, kümmerte sich Lou um dieses Kind und setzte es später als Haupterbin ein. - 
Tja, so war sie, die gute Lou. ;-)  
Sie führte während dieser "Ehe" fortan ein "Doppelleben". In der einen Hälfte "gut-bürgerliche" Hausfrau, die auch brav im Garten arbeitete und in der anderen Hälfte wurden ihre verschiedenen Verehrer immer jünger. Ihr "Ehemann" jedoch, mußte jede Hoffnung aufgeben, es blieb dabei: 
Kein Sex! 


Ich habe meine Theorie, meine Vermutung, warum sie sich so verhielt. Es war ihr letzter Selbstschutz gegen eine völlige "traditionelle" Vereinahmung. Sie hatte ihre eigenen Lebenspläne, Interessen, Träume und Ziele. Eine "gut-bürgerliche" Ehe bedeutete "Pflicht", wenn nicht gar "Unterwerfung" und dies mußte sie als Knebel empfinden. Junge Liebhaber hingegen, waren die Kür, die sie sich nach ihren Spielregeln einrichten konnte. Dies klingt natürlich im ersten Moment und oberflächlich betrachtet, extrem egoistisch (ich vermute hier aber stark, daß die "Leiden" ihrer jungen Lover sich dabei sehr in Grenzen hielten!). 
Andererseits, wer vermag - ohne rot zu werden - zu behaupten, daß ein Mann, der eine Frau ehelich an sich bindet, immer völlig selbstlos handelt, ihr Bestes möchte und sich natürlich für sie krumm legt und aufopfert? 
Im Falle Friedrich Carl Andreas kann wohl kaum von einer innigen "geistig-seelischen" Verbindung ausgegangen werden, wonach Lou aber immer strebte - und wenn ein Mann einen Selbstmordversuch vor den Augen der Frau ausübt, um sie so an sich zu binden - meine Güte!


Am Ende ihres Lebens hatte sie viel umgesetzt und steht schließlich als Frau ihren berühmten Verehrern in nichts nach. Im Gegenteil, daran gemessen, wie schwer sie es hatte - sie mußte sich gegen männliche Dominanz behaupten - imponiert sie mir sogar wesentlich mehr, als die Männer. 
Das Geld ihres "Ehemannes" hatte sie nie interessiert. Im Gegenteil, war er arbeitslos, teilten sie sich die kläglichen Honorare durch ihre Bücher!  

Sigmund Freud riet ihr zum Beruf der Psychoanalytikerin und 1931 verfasste sie einen offenen Brief "Mein Dank an Freud"
Freud war davon so tief beeindruckt, daß er ihr antwortete:
 „Es ist gewiss nicht oft vorgekommen, dass ich eine psychoanalytische Arbeit bewundert habe, anstatt sie zu kritisieren. Das muss ich diesmal tun. Es ist das Schönste, was ich von Ihnen gelesen habe, ein unfreiwilliger Beweis Ihrer Überlegenheit über uns alle.“ 

Eine Frau, ein unabhängiger Freigeist, deren einzige "Frechheit" im Grunde nur darin bestand, 
daß sie sich als Frau etwas herausnahm, was in dieser Welt sonst eher nur Männern zugestanden wird. Um ihr "böses" Verhalten besser relativieren zu können, möchte ich nur einmal Nietzsche und Rilke erwähnen, die zeitlebens für ihre Unabhängigkeit kämpften und diese vehement für sich beanspruchten und dies selbstverständlich auch im Privatleben. Rilke hatte nie Skrupel, einer Frau klarzumachen, daß er für seine Poesie "in Klausur" gehen müsse und somit einfach nicht mehr erreichbar war. - Nun, nichts anderes tat Lou! ;-) 

Einen "Emanzipations-Coach"  brauchte auch sie nicht:

"Ich selber weiß doch nur was von „ich“!" 


Heute gibt es in Göttingen das Lou Andreas-Salome-Institut (für Psychoanalyse und Psychotherapie). Sie selber betrieb zu Lebzeiten eine Psychotherapie-Praxis in ihrem Göttinger Haus. Es war die erste Psychotherapeutische Praxis in Göttingen und die erste Praxis dieser Art von einer Frau. Die Bevölkerung beargwöhnte sie aufgrund ihres unkonventionellen Lebensstils, was sich auch in ihrer Kleidung ausdrückte. Sie war als "Hexe vom Hainberg" verschrien. 

Biografen (meistens Männer!) beschäftigen sich bis heute bevorzugt damit, mit welchem "berühmten" Mann sie wann evtl.doch mal richtig zur Sache kam oder auch nicht und warum. 
Daß die gute Frau in ihrem Leben rund zwei Dutzend bemerkenswerte Bücher schrieb, scheint von geringerem Interesse.

Lou beschrieb die gelungene Beziehung zwischen Mann und Frau genauso, wie ich es seit meiner Jugend denke:

"dass Zwei nur dann Eins sind, wenn sie Zwei bleiben."



Für die Biografin und Philosophin Kerstin Decker
ist Lou Salomé "die modernste aller Frauen".

Als ich sie erstmalig bewußt zur Kenntnis nahm, fielen mir zu ihr spontan Verse von meiner modernsten "für-alle-Zeiten-Superheldin" ein:


2 x 3 macht 4
Widdewiddewitt und Drei macht Neune !!
Ich mach' mir die Welt
Widdewidde wie sie mir gefällt ....

Hey - Pippi Langstrumpf
trallari trallahey tralla hoppsasa
Hey - Pippi Langstrumpf,
die macht, was ihr gefällt.

Hey - Pippi Langstrumpf
trallari trallahey tralla hoppsasa
Hey - Pippi Langstrumpf,
die macht, was ihr gefällt.

  
Mehr von dieser faszinierenden Frau demnächst hier im Blog ... und hier.




Hinweis: 
In Göttingen gibt es demnächst eine Theater-Uraufführung.

LOU ANDREAS-SALOMÉ


von Tine Rahel Völcker


so kommt sie zu späten Ehren.

  

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