Sonntag, 10. August 2014

Liebe Gesichter #1 - Marilyn

Hermann Hesse
Über Gewaltpolitik, Krieg und das Böse in der Welt (1955) #1
Brief an einen Friedensfreund, der als deutscher Soldat Stalingrad erlebt hat 

                                                                                                                  Montagnola, im Februar 1955
"Ihre Betrachtungen über Weltgeschichte, Krieg und Sinn oder Unsinn des Ganzen kommen meinen eigenen Gedanken nahe, wir sind nicht weit voneinander. Doch kommt es für unser Verhalten im Leben nicht so sehr auf unsere Gedanken an als auf unseren Glauben.  

Ich glaube an keine religiöse Dogmatik, also auch nicht an einen Gott, der die Menschen geschaffen und es ihnen ermöglicht hat, den Fortschritt vom Einandertotschlagen mit Steinbeilen bis zum Töten mit Atomwaffen auszubilden und auf ihn stolz zu sein. Ich glaube also nicht, daß diese blutige Weltgeschichte ihren "Sinn" im Plan eines überlegenen göttlichen Regenten habe, der sich damit etwas für uns nicht Erkennbares, aber Göttliches und Herrliches ausgedacht habe.

Aber dennoch habe ich einen Glauben, ein zum Instinkt gewordenes Wissen oder Ahnen um einen Sinn des Lebens. Ich kann aus der Weltgeschichte nicht schließen, daß der Mensch gut, edel, friedliebend und selbstlos sei, aber daß unter den ihm gegebenen Möglichkeiten auch diese edle und schöne Möglichkeit besteht, das Streben nach Güte, Frieden und Schönheit, vorhanden sei und unter glücklichen Umständen zur Blüte gelangen könne, das glaube und weiß ich gewiß, und wenn dieser Glaube einer Bestätigung bedürfte, so fände er in der Weltgeschichte neben den Eroberern, Diktatoren, Kriegshelden und Bombenherstellern auch die Erscheinungen Buddha, Sokrates, Jesus, die heiligen Schriften der Inder, Juden, Chinesen und alle die wunderbaren Werke friedlichen Menschengeistes in der Welt der Kunst. Ein Prophetenkopf aus dem Figurengewimmel am Portal eines Domes, ein paar Takte Musik von Monteverdi, Bach, Beethoven, ein Stückchen Leinwand von Rogier, von Guardi oder Renoir bemalt genügen, um dem ganzen Macht- und Kriegstheater der brutalen Weltgeschichte zu widersprechen und eine andere, beseelte, in sich beglückte Welt darzutun. Und überdies haben die Werke der Kunst weit sicheren und längeren Bestand als die Werke der Gewalt, sie überdauern sie um Jahrtausende (...)." - Fortsetzung folgt.
 
Hermann Hesse: Brief an einen Friedensfreund, der als deutscher Soldat Stalingrad erlebt hat
(aus: "National-Zeitung", Basel, vom 27.2.1955)
Dieser Brief erschien in der zweibändigen Hesse-Ausgabe "Politik des Gewissens"
Hrsg. Volker Michels, suhrkamp taschenbuch 1981
(Ich habe 2002 - anläßlich "125 Jahre Hermann Hesse" die große Ehre gehabt, Volker Michels persönlich kennenzulernen.

Er ist ein wunderbarer Mensch). 


Marilyn Monroe - Aquarellstudie - Watercolor (ca. 24x22cm)




Vor drei Tagen besuchte mich eine liebe Freundin, der ich eröffnete, daß ich ab jetzt nur noch "zähnefletschende, aggressive, wilde Monster" zeichnen wolle. 
Ich begründete dies mit der aktuellen weltpolitischen Lage und zeigte ihr erste Skizzen. 
Sie schaute mich darauf recht erstaunt und auch etwas erschrocken an und meinte, daß ich doch sonst immer so hübsche Gesichter zeichnen würde. 

Daraufhin bin ich in mich gegangen und habe dabei o.g. Text von Hermann Hesse wiederentdeckt.
Es bringt nichts, wenn man "aggressive Fratzen" mit "aggressiven Fratzen" erwidert.
Am Ende schadet man sich dabei nur selber. Es wird immer finsterer im Innern - und schließlich sieht man nur noch schwarz und noch mögliche Auswege werden nicht mehr als solche erkannt.

In dieser Situation habe ich mich mal wieder an ein "Aquarellportrait" gewagt. 
Ein liebes, freundliches Gesicht, welches nicht nur "lieb guckte", sondern auch - weltweit - historisch bestätigt: Lieb gewesen ist!

Und siehe da: 
Nicht nur in meinen Innern wurde es spontan wieder heller, sondern auch die "Zukunft" erscheint nicht mehr ganz so düster (siehe o.g. Text von Hermann Hesse). 




...und noch eine ergänzende Audio-Kostprobe:
Hermann Hesse  - Brief an einen Kommunisten  (1931)






Wir Geistigen haben, allen Dampfwalzen und Normierungen zum Trotz, das Differenzieren zu üben und nicht das Verallgemeinern. Hermann Hesse 1949


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