Sonntag, 9. Februar 2014

Mann näht #3 - Der Geduldsfaden


Seit ich nähe, weiß ich endlich, was es mit dem "Geduldsfaden" auf sich hat, der eben doch ab und zu reißt...;-)

Wikipedia schreibt dazu:
"Der Faden, der beim Abwickeln von der Spule gespannt ist, überanstrengt bzw. strapaziert wird, an dem gezerrt wird und der infolgedessen reißen kann. Bereits Goethe verwendet die Redensart 1811 in seiner Biographie Dichtung und Wahrheit (14. Buch). Und auch das Deutsche Wörterbuch der Gebrüder Grimm verweist unter dem Stichwort "Geduldsfaden" auf diesen Gebrauch bei Goethe und Brentano. Das Bild hat sich so weit verselbständigt, dass es mittlerweile genügt, zu sagen, dass die Geduld selbst reißt. Das Maß des Geduldsfadens ist hier die Dicke, Stärke bzw. Unempfindlichkeit. Nicht selten hängt dabei die Geduld an einem seidenen Faden, der besonders leicht reißt." 





Tusche & Aquarell (Ink & Watercolor)






Noch mehr "Bio" als "Biotextilien" erscheint es mir, wenn man seine alten "Blue Jeans-Schätzchen" flickt und flickt und flickt, bis sie einen selber am Ende überlebt haben werden. 
Nicht wegschmeißen und neu kaufen, sondern die Alten flicken... 
Dazu bekommen die Oldtimer-Jeans mit der Zeit so richtig Patina, sie sind Antik, Retro, Vintage, also voll im Trend und gelebtes Leben. Jede alte Jeans hat ihre eigene Story. 

Sollte ich tatsächlich einmal berühmt (und tot) sein, dann werden meine alten "Patchwork-Jeans" bestimmt neben meinen Bildern im Museum gezeigt 
Sicher werden dann auch die Leute tuscheln: 
"Das ist doch der Maler, der kein Schweizer Nummernkonto hatte, dafür aber jahrelang vergaß, bei der gewissenhaften Steuererklärung, seine ihm zustehende "Pendlerpauschale" geltend zu machen. Kein Wunder, daß er seine alten Jeans tragen mußte, bis sie ihm vom Leib fielen...";-)   
Nun ja, so sind die Menschen verschieden, die einen verbuddeln ihr vieles Geld vor der Steuer, die anderen geben dem Staat noch ihr letztes Hemd... und mit dem "Bundesverdienstkreuz" klappt es trotzdem nicht... 
Oder so ausgedrückt: 
Die Einen können besser mit den Steuern beschei..., die Anderen besser malen. 
Traurig ist nur, daß Erstere - im Zweifel - bei der "Führungselite" trotzdem noch ein viel besseres Image haben, als die Maler, obwohl letztere doch ständig Images abliefern. Komische Welt!   

Doch zurück zum "Geduldsfaden", der ab und zu reißt.
Irgendwann möchte ich mir einmal eine niegelnagelneue Blue Jeans selber schneidern. Die muß ultra stabil sein. So robust, wie die ersten Blue Jeans noch vor 100 Jahren waren - aber bis dahin heißt es: Flicken! Ich vermute, daß es müheloser ist, eine "Neue" zu schneidern, als eine "Alte" gekonnt zu flicken, denn letzteres ist eine sehr aufwändige Fummel- und Kleinarbeit, aber dabei lernt man Nähen! 

Wenn man mit einer 100 Jahre alten Singer näht, hat man keinen modernen "Freiarm" , d.h. man muß die ganze Buxe irgendwie unter die Nadel frickeln. Ein recht reißfester (von wegen!) Polyester-Faden ist eingefädelt. Endlich liegt die Jeans einigermaßen plan unter der Nadel. 
Fünf hoffnungsvolle Stiche und dann: Fatz! Der Faden ist gerissen.

Neues Spiel, neues Glück:
Hose unter die Nadel friemeln. Fünf Stiche und fatz! Immer cool bleiben. 
Die Hose liegt wieder unter der Nadel ...fünf Stiche ...und fatz...
So geht das drei bis fünfmal... und dann ist Fehlersuche angesagt (die coole Geduld verwandelt sich langsam in erstes Zittern). Ist der Oberfaden zu stramm oder der Unterfaden? Oder ist ein Faden zu locker oder klemmen die Faden-Spannscheiben oder ist der reißfeste Polyesterfaden eben doch nicht so reißfest? 
Also dann der Reihe nach: 
Fadenspannung ändern: Fünf Stiche ...und fatz...
nun den Faden wechseln ("reißfesteres" Garn): Fünf Stiche und fatz...
Die Hose wird wiederholt unter die Nadel geschoben... fünf Stiche und fatz...

Pause!
(Ertappe mich dabei, kurz zu überlegen, ob das mit der Näherei vielleicht doch keine so gute Idee war...).

Pause...

Heroischer Neuanfang:
Das gleiche Spiel noch mal (zwischendurch auch mal mit einer anderen  Jeans...fatz...). 
Irgendwann hatte ich es geschafft, zwei kleine Flicken mit bombenfesten Nähten festzutackern. Sehr fest. Leider hatte ich - aus Versehen - den unsichtbaren Hosenladen (unter der Jeans) mit zugenäht. Wie unpraktisch. Es dauerte ein Weilchen, bis ich mit dem Nahttrenner den Hosenladen wieder frei hatte...  learning by doing... ;-)

Jedenfalls weiß ich jetzt genau, wie das mit dem "reißenden Geduldsfaden" gemeint ist. 
Wer als Gärtner (einer meiner Berufe) nicht gelernt hatte,  geduldig zu sein, wird es spätestens beim Nähen lernen. Insofern ist die Näherei eine wunderbare Therapie und ich sollte sogar jedem gerissenen Faden dankbar sein! ;-)    

       
  

Keine Kommentare :

Kommentar veröffentlichen