Sonntag, 3. März 2013

Henry Miller (1891-1980) #01

Zur Abwechslung mal ein Portrait von einem Mann... ;-)



"Don't look for miracles.
You are the miracle!
                  Henry Miller  (1891-1980)

"Schau nicht nach Wundern.
Du bist das Wunder!"

Tusche & Aquarell (Ink & Watercolor)























"(...) Offengestanden bin ich schon soweit, daß ich, wenn ich auch nur das Wort Sex höre, am liebsten den Revolver nehmen möchte, um mich zu verteidigen, und schreien: "Vernichtet den Sex!" 
Nicht etwa, daß ich das wirklich wünschte, aber die Diskussionen darüber, die wünsche ich wirklich zum Teufel. Ich hab's satt, ja wirklich satt, daß das immer die erste Frage ist, die man mir stellt. Ich bin schließlich weder ein Freud noch ein Jung (...)"        
"(...) Ja, es stimmt, in "Sexus" ist eigentlich sehr viel von Sexualität die Rede. Sie ist darin konzentriert. Aber das bezieht sich nur auf eine bestimmte Epoche meines Lebens. Und doch scheint man mich deswegen für eine Art "Genie der Pornographie" zu halten. Das ist falsch. Und man soll mir nur nicht kommen und sagen, ich sei anormal. Ich persönlich halte mich für sehr normal (...) "
Henry Miller, 1969 in einem Dialog mit dem sympathischen Georges Belmont (welcher 1960 ein ebenso interessantes Interview mit Marilyn Monroe führte!). Den Dialog mit Henry Miller gibt es als Buch: 
Henry Miller - Meine Jugend hat spät begonnen, Fischer TB Juli 1973  



Nun, Henry  "mit" oder  "ohne"  Sex - vorallem aber "ohne" Sex, ist für mich, ungeachtet seines Rufes, ein geistreicher Schriftsteller und ein unkonventioneller Lebenskünstler, den ich gerne lese und der mir bis heute viel zu sagen hat. Von einem "Heiligen" schreibe ich hier nicht, aber auch nicht von einem "Scheinheiligen". Auch wenn phasenweise sehr "versaut", so war er doch immer eine ehrliche, unverkünstelte Haut und er liebte das Leben bis ins hohe Alter. Er war begeistert von Hermann Hesse (er setzte sich in den 60er Jahren maßgeblich dafür ein, daß Hesse in den USA übersetzt und bekannt wurde!) er schwärmte sehr für Hildegard Knef (und umgekehrt "Er ist mein großer Freund" ), die zwei wurden dicke Freunde (seit 1961) und:  
er malte zeitlebens mit kindlicher Begeisterung Aquarelle (click) - einfach so, aus purer Freude, ohne den Anspruch auf  "hohe Kunst". Dabei entstanden über 3000 "naive" Malereien. In der Tat haben seine Malereien meist etwas rührend "kindliches" und welche Überraschung, dies bei einem Mann (sic.!) zu entdecken, der Bücher wie "Sexus" schrieb. 
Er spielte - von Jugend an - gut Klavier, liebte sein altes Rennrad ("Mein bester Freund") und Tischtennis. 
Sein Klavier und seine Tischtennisplatte zogen immer mit um. 
Der Mann hatte Humor und war heiter (was für mich die liebenswürdigsten menschlichen Eigenschaften sind) und das obwohl er jahrzehntelang teilweise hungern mußte. Der große "Durchbruch" kam erst im Alter! Er blieb in schwersten Lebenszeiten seinen Idealen treu, er hielt Stigmatisierungen und materielle Not aus, er kippte in seinem langen Leben nie um und biederte sich nirgendwo an. Wie viele Menschen gibt es mit dieser Konsequenz?  
Ein aufrichtiger Künstler wie ich ihn mir vorstelle!
Dadurch hat er sich einen Platz in Matthi's Art Journaling mehr als verdient! :-) 

"Jeder Krieg ist eine Niederlage menschlichen Geistes." Henry Miller


“Die Welt braucht nicht in Ordnung gebracht zu werden: Die Welt ist formgewordene Ordnung. An uns ist es, uns in Einklang mit dieser Ordnung zu bringen, zu wissen, was die Weltordnung im Gegensatz zu den Ordnungen unseres Wunschdenkens ist, die wir einander aufzuzwingen suchen.”  Henry Miller


Henry - der alte, heitere Mann - Kohlestift und Pastell auf grauem Karton (ca. 23 x23 cm)

























Zur Inspiration meines ersten Pastell-Portraits:
In "Meine Jugend hat spät begonnen" erzählt Henry Miller, daß er ursprünglich Clown im Leben werden wollte. Mich begeistert das und ich finde dies paßt zu ihm, denn ein "ernster" und "vernünftiger" Mensch hätte niemals so ein Leben führen können, wie er und schon garnicht hätte er Skandalbücher wie "Sexus" geschrieben, die jahrzehntelang - weltweit - verboten waren. 
Bevor ich mich an dieses Pastell-Portrait wagte (er ist hier über 80 J.), las ich in dem Buch "Malen ist lieben" (Henry Miller - Bilder und Texte) wo er beschreibt wie er malt, wie er es anfängt und auch hier ist er jenseits vom "anständigen Bürger" und auch hier kommt einerseits ein "großes Kind" und andererseits wieder der "Clown" durch...
Die Lektüre hat mich locker gemacht und ich dachte (wie er damals): Denk nicht - fang an! :-)
Gesagt getan. Es ist (noch) nicht "perfekt", aber das macht nichts, denn, wie Henry es selber ausdrückt:  
"(...) Um zu meinen eigenen Monstrositäten zurückzukehren: Ich plane selten dergleichen zu begehen. Das Monstrum wächst mir einfach unter der Hand,sozusagen. In der Erregung die es mit sich bringt, einer Linie oder einem Rhythmus zu folgen (...) Wenn ich mit dem Bild fertig bin, und es gefällt mir, sage ich: 
"Was macht das schon? Es ist ein Bild. Es spricht für sich." (...)"    
In dem Youtube-Film Henry Miller - To Paint Is To Love Again lacht er sich am Ende des kurzen Films selber im Spiegel an. Dies war die Motiv-Vorlage für das Portrait.
Gelegentlich werde ich dem "Maler Henry Miller" einen extra Post widmen.         


           

1944 - Big Sur, Kalifornien.  (siehe auch FAZ-Artikel)
Henry Miller, verheiratet, ist gerade 53 J. (genau so alt wie ich heute).
In einem Alter bei dem viele anfangen, die Jahre bis zur Rente zu zählen und sich in ein zukünftiges Leben mit Enkeln zu träumen, läßt sich Henry Miller an der kalifornischen Küste auf ein - wie wir es heute nennen würden - "Aussteiger Leben" ein, 300 Meter oberhalb des Ozeans. Zum Einkaufen mußte er immer den steilen Weg zu Fuß bewältigen und dies freiwillig 18 Jahre lang, zwischendurch auch mit Babywindeln im Rucksack, mit denen er sieben  Meilen zu den heißen Quellen („Slate’s Hot Springs“) wanderte, um die Windeln dort zu waschen. 
Mühsam - doch für ihn war es paradiesisch:
"Das ist das Kalifornien, von dem die Menschen früher träumten, dies ist der Pazifik, auf den Balboa von den Bergen Dariens hinausblickte, dies ist das Gesicht der Erde, wie es der Schöpfer haben wollte (...) Es war eine wilde Felsenküste, trostlos und abschreckend für Pflastertreter, einladend und bezaubernd für Taliessins. ...("Wie haben Sie nur einen solchen Platz gefunden" ist der übliche Ausruf. Als wenn ich etwas damit zu tun hätte!) Mich erstaunt nur, und das ist der wesentliche Punkt, daß so wenige beim Abschied daran denken, auch sie könnten die Früchte des Paradieses genießen. Fast immer gesteht der Besucher, daß es ihm an Mut fehlt - richtiger wäre, an Phantasie - , mit der Vergangenheit zu brechen. (...) Einem jeden kommt sicher an irgendeinem Punkt des Weges zum Bewußtsein, daß er ein weit besseres Leben führen könnte, als das, welches er erwählt hat. Was ihn gewöhnlich zurückhält, ist das Opfer, das eine Änderung zur Folge hat. (Selbst seine Ketten abzuschütteln scheint ihm als Opfer. ) Und dabei weiß jeder, daß nichts ohne Opfer erreicht werden kann.(...)"     
"Die Sehnsucht nach dem Paradies, ob es nun Jenseits oder hier auf Erden gedacht wird, hat fast aufgehört.(...) Ein mächtiger Mythos ist zu einem Tabu entartet. Menschen opfern ihr Leben, um eine bessere Welt zu schaffen - was immer sie darunter auch verstehen mögen -, aber sie rühren keinen Finger, um das Paradies zu finden."  

Quelle: Henry Miller - "Big Sur und die Orangen des Hieronymus Bosch", 1957, Rowohlt TB 1958 

Das sind m.E. wunderbare, weise Gedanken!

"Sollte es irgendeinen inneren Frieden geben, so kommt er durch das Sein, 
nicht durch das Haben." Henry Miller   


Siehe auch die Filmdokumentation:

Big Sur - Henry Millers Paradies

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